von der gefährlichsten Stadt der Welt zum Touristenhotspot in Rekordzeit.
Wer kennt ihn nicht? Den wohl bekanntesten Drogenkartellchef der Welt. Die Hauptrolle in Narcos, den klugen Geschäftsmann, Kolumbiens schwerstes Schicksal. Ihr wisst schon wer! Aber was passierte nach seinem Tod? Wie entwickelte sich die Stadt Medellin und welchen Einfluss hat die Architektur?
Ein erster großer Schritt während der Endradikalisierung war der Bau und die Fertigstellung des U-Bahnnetzes und der Seilbahnen, endlich war es möglich sicher zur Arbeit zu kommen, ohne mit dem Bus zu fahren, welcher häufig ausgeraubt wurde. „Do you know why, our subway is so clean and safe? Because we in Medellin do love our subway, every Gangster, who does enter the train becomes an innocent guy, who wouldn´t hurt a fly“ Eine Aussage eines Bewohners aus Medellin. Es wurden Bibliotheken und Kulturzentren gebaut, welche an den Endstationen und in Brennpunkten lokalisiert sind. Der Hauptplatz, an dem der Drogenhandel auf Hochtouren lief, wird erleuchtet und zum Plaza de la Luz. Comuna 13, einst der gefährlichste Bezirk, wird zum Kunsthotspot der Graffitiszene. Es gibt noch viele weitere architektonische und städtebauliche Entstehungen in der Stadt. Man kann fast sagen, die Architektur macht die Stadt sicherer, besser und natürlich schöner. Die schlichte und geradlinige Art und Weise, in der die Designer die Gebäude umsetzen, ist sehr bemerkenswert und der Umgang mit Materialien und Licht sehr bedacht.
Aber täuscht das schöne Bild des Städtebauwunders?
Einige Veränderungen sind nur oberflächlich und wurden nur an andere Standorte verschoben, die Drogenkriege der Guerillas finden nun im ländlichen Gebieten statt. Während der zweiten Phase der Endradikalisierungen verschwanden tausende von Menschen und keiner weiß was passiert ist. Und manch einschneidende Ereignisse wurden aus dem Stadtbild sogar komplett gelöscht und sind heute nicht mehr präsent.
Was passiert mit den Tatorten? Was passiert mit den Täter*innenorten? Wie erinnern wir „richtig“? Wie erzählen wir die „böse Geschichte“? Es existieren unterschiedliche Ansätze in Medellin, wie beispielsweise:
Ein Haus der Erinnerung, welches sehr persönliche Einzelschicksale erzählt, Grafittikunst oder Boteros Bilder und Statuen, welche das Erinnern auf eine ästhetische Ebene heben, Walkingtours, welche die Geschichte face to face erklären.
Durch Gespräche mit Kolumbianer*innen hat sich herausgestellt, dass „ihr wisst schon wer“ bereits 10 Jahre nach den schrecklichen Ereignissen von Jugendlichen und Tourist*innen gefeiert wird. Was alles sehr skurril wirkt, da jeder über 20 den Drogenkrieg miterlebt hat. „Schwamm drüber und weiter geht’s“ – Die Stadtbewohner*innen selbst nennen sich Aufstehmännchen, egal wie schwer ein Schicksalsschlag ist bzw. war, sie versuchen das Beste daraus zu machen, ohne daran zu denken Denkmäler oder Sonstiges zu errichten. Dies ist nur zu verständlich und langsam wird auch angefangen die Geschichte aufzuarbeiten, dieser Prozess geht jedoch schleppend voran.
Alles klingt weit, weit weg und betrifft uns alle nicht, oder? Wir Österreicher*innen und Deutsche haben eine gut funktionierende Aufarbeitung, bzzgl. Der Gräueltaten in unseren Ländern: die viele Museen, jede*r Schüler*in muss in ein ehemaliges KZ besuchen, ein Denkmal neben dem nächsten… Trotzdem wirkt der Diskurs wie gestoppt, den Namen von „unserem“ „ihr wisst schon wen“ spricht niemand aus, die Konfrontation mit der Thematik stößt auf Ignoranz, das haben wir doch alles zu genüge durchgekaut. Das Geburtshaus in Braunau ist eins der vielen Beispiele, bei der die Aufarbeitung auf eine klassische Abwehrhaltung stößt. Keiner will eine Entscheidung treffen, niemand will sich die Finger verbrennen. Hier würde niemand den „ihr wisst schon wen“ feiern, oder? Aber Kurz gesagt alles weit weit weg… oder täuscht das schöne Bild nicht nur in Medellin, sondern auch vor der Haustür.
Beitrag von elisabeth sellmeier